Die Zukunft beginnt jetzt Kapitel 2
An einem kalten Januarmorgen stand Raschid vor der großen Moschee. Ein eisiger Wind strich um das ehrwürdige Gebäude, und die Sonne hatte noch keine Kraft, um die Kälte zu vertreiben. Der kalte Nebel lag schwer über der Stadt und hüllte alles in ein undurchdringliches Grau. Raschid fröstelte und zog seinen dünnen Pullover enger um die Schultern. Der klirrende Frost durchdrang seine Knochen, und selbst einen dicken Pelzmantel hätte er in diesem Moment nicht gewünscht, denn die Kälte war nicht nur physisch; sie schien bis in sein Herz zu dringen.
Raschid war aus dem Haus seines Vaters geflohen, einem Mann, dessen Wut und Frustration oft gegen ihn gerichtet waren. Seit seine Mutter mit einem amerikanischen Soldaten durchgebrannt war, hatte sich die Atmosphäre in ihrem Zuhause nur verschlechtert. Die Erinnerungen an die goldenen Tage, als sie eine glückliche Familie waren, schienen jetzt wie ein ferner Traum. Sein Vater, arbeitslos und von Kummer zerfressen, ließ all seine Enttäuschungen an Raschid aus. Der Junge fühlte sich oft einsam und ungeliebt, ein Schatten in einem Zuhause, das von Zorn und Trauer geprägt war. Die Amerikaner, die ihm in seinen Augen alles genommen hatten, wurden zum Symbol für den Verlust seines früheren Lebens.
In der Stille, die nur gelegentlich durch das Rauschen des Windes unterbrochen wurde, stand Raschid vor der massiven Tür der Moschee. Er wusste, dass er Schutz suchte, doch die Angst vor dem, was ihn zu Hause erwartete, ließ ihn zögern. In diesem Moment der inneren Zerrissenheit bemerkte er nicht, wie sich ein bekanntes Gesicht ihm näherte.
Es war Imam Hadi, der respektierte Mann der Gemeinde. „Na, kleiner!“ begrüßte Hadi ihn mit einer warmen Stimme, als er sah, wie verloren Raschid war. Er setzte sich neben ihn, und die großen, braunen Augen des Jungen blickten ihn fragend an.
„Ich... ich weiß nicht, wohin ich gehen soll“, murmelte Raschid, während sein Herz so schwer war wie der Nebel um ihn herum. „Mein Vater ist wütend, und ich habe Angst.“
Hadi spürte den inneren Konflikt des kleinen Jungen und antwortete sanft: „Ich verstehe. Es ist nie leicht, wenn jemand, den man liebt, so viel Schmerz verursacht. Dein Vater trägt eine schwere Last, und die Wut, die du siehst, ist oft ein Zeichen seiner eigenen Traurigkeit. Die Amerikaner haben uns so viel genommen, und es ist nicht fair, dass er das an dir auslässt.“
Raschids Magen verkrampfte sich beim Gedanken an das, was zu Hause auf ihn wartete. „Aber sie sagen, sie wollen helfen. Warum ist mein Vater dann so wütend?“ Seine Stimme war ein Flüstern, als ob er die Antwort nicht einmal laut aussprechen wollte.
Hadi schüttelte den Kopf. „Das ist das große Missverständnis. Die Amerikaner haben unsere Familien zerrissen und unsere Kultur verletzt. In der Zeit von Hussein gab es Ordnung, trotz der Angst. Jetzt leben wir im Chaos. Es ist schwierig, die Wut deines Vaters zu verstehen, aber ich möchte dir helfen, das zu begreifen.“
Der Imam betrachtete Raschids Gesicht und sah den Kampf, der in ihm tobte. Er lächelte, um ihm Mut zu machen. „Aber hör zu. Es gibt einen Ort, an dem du zur Ruhe kommen kannst. Eine islamische Schule auf dem Land. Dort kannst du lernen, wie man stark wird und für das eintritt, was richtig ist. Du bist nicht allein, und vielleicht ist das der beste Weg für dich, um die Dinge anders zu betrachten.“
Einerseits war die Vorstellung einer Schule verlockend, andererseits nagten Erinnerungen an seine Mutter an ihm. „Was lerne ich dort?“
Hadi strahlte Zuversicht aus. „Dort lernst du nicht nur über unseren Glauben, sondern auch, wie wir als Gemeinschaft zusammenarbeiten können. Du wirst lernen, Hoffnung zu bewahren und eine klare Sicht auf die Welt zu entwickeln. Und je mehr du wächst, desto besser wirst du in der Lage sein, deinem Vater zu helfen.“
Raschid dachte über Hadis Worte nach, als ihm ein Lichtblitz durch den Kopf ging. „Aber ich liebe meinen Vater“, flüsterte er verzweifelt.
„Das ist gut, Rashid! Du wirst stark genug sein, um ihm zu zeigen, dass es auch einen besseren Weg gibt. Lass uns gemeinsam diesen Weg gehen. Deine Entscheidung, stark zu werden, beginnt jetzt!“
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