Die Zukunft beginnt jetzt Kapitel 4
Kapitel 4 Grenzland
Doch allmählich veränderte sich etwas. Der Sand wurde grobkörniger, vermischt mit kleinen Kieselsteinen, die unter den Reifen knirschten. Am Straßenrand tauchten die ersten Spuren von Leben auf – zähe, ausgedörrte Sträucher, kaum mehr als graue Silhouetten, die sich im heißen Wind leicht bewegten. Rashid bemerkte die Veränderung kaum, sein Blick war leer, während die Gedanken an etwas anderes hafteten: an die Heimat, die er verloren hatte, an die Gesichter seiner Eltern, die sich immer mehr in der Unschärfe seiner Erinnerungen auflösten.
Das monotone Rollen des Wagens setzte sich fort, und langsam nahm die Landschaft Farbe an. Der Boden wurde härter, unterbrochen von sprießenden Grasbüscheln, die wie grüne Tupfen auf der trockenen Erde wirkten. Das Fahrzeug schaukelte weniger, und der Untergrund fühlte sich plötzlich stabiler an, als ob die Wüste langsam ihren Griff lockerte. In der Ferne zog eine dünne, graugrüne Linie am Horizont auf – das erste Anzeichen von Steppe.
„Wir kommen näher“, murmelte Ahmed, der am Steuer saß. Seine Augen verengten sich, als er in die Ferne blickte. Rashid hörte die Worte, doch sie klangen wie durch einen Schleier. Die Dörfer, die sie passierten, waren Ruinen, Geister ihrer selbst. Fenster hingen schief in ihren Rahmen, Dächer waren eingestürzt, und Türen standen offen, als hätten die Bewohner alles in Panik zurückgelassen. Rashid zwang sich, nicht hinzusehen, aber die Bilder krochen in seinen Geist. Sein Vater hatte immer von einer besseren Welt gesprochen, doch diese Bilder ließen keinen Platz für Hoffnung.
Die Sträucher wuchsen dichter, das Gras schien lebendiger, und der Wind trug einen kühlen Hauch mit sich, der Rashid kurz erschaudern ließ. Plötzlich flatterten Vögel auf, verschwanden in den knorrigen Bäumen, die jetzt häufiger die Landschaft säumten. Die Farben der Steppe verdrängten endgültig das eintönige Gelb der Wüste.
Die Reifen des Jeeps ruckelten über einen lehmigen Weg, der sich wie ein dünnes Band durch die sanften Hügel zog. Der Staub legte sich langsam, und die Luft schien klarer zu werden. Grüne Felder breiteten sich zu beiden Seiten aus, durchzogen von Bewässerungsgräben, in denen das Wasser in der Sonne glitzerte. Sie kamen an braunen Lehmhäusern vorbei, die still in der Landschaft standen, wie von der Zeit gezeichnet.
Rashid bemerkte Ahmeds plötzliche Aufmerksamkeit. „Da ist es“, sagte Ahmed knapp, seine Stimme emotionslos. Am Horizont tauchte das Dorf auf, eingerahmt von den davorliegenden Hügeln. Er war schon einmal hier gewesen und kannte die Umgebung.
Das Ziel rückte näher. Es war ein abgelegenes Dorf, von dem die Welt nichts mehr wissen wollte. Hier lag die Madrasa, kein Ort des Lernens im klassischen Sinne, sondern eine Schule für ein anderes Ziel. Ein ehemaliges Schulgebäude, umfunktioniert und von einer Ideologie überformt.
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